Die dissoziative Identitätsstörung (DIS) nach DSM IV oder multiple Persönlichkeitsstörung (MPS) nach DSM III oder ICD 10 ist eine dissoziative Störung, bei der Wahrnehmung, Erinnerung und das Erleben der Identität betroffen sind. Sie gilt als die schwerste Form der Dissoziation. Die Patienten bilden zahlreiche unterschiedliche Persönlichkeiten, die abwechselnd die Kontrolle über ihr Verhalten übernehmen. An das Handeln der jeweils „anderen“ Personen kann sich der Betroffene entweder nicht oder nur schemenhaft erinnern, oder er erlebt es als das Handeln einer fremden Person. Folgestörungen sind Depressionen, Angst, psychosomatische Körperbeschwerden, Selbstverletzung, Essstörungen, Suchterkrankungen und Beziehungsprobleme. Die Ursache soll eine posttraumatische Belastungsstörung sein, insbesondere infolge von Kindesmisshandlungen.
Die Vermutung, dass eine sehr enge Verbindung zwischen frühkindlichen Trauma-Erfahrungen und dem späteren Auftreten der Störung besteht, konnte ab Mitte der 1980er Jahre in großen Studien mit mehr als 100 Fällen und folgenden Kontrollgruppenuntersuchungen bestätigt werden. Putnam u. a. fanden (1986) heraus, dass 97% der insgesamt 100 Patienten über schwere und schwerste traumatische Erlebnisse in ihrer Kindheit berichteten, wobei am häufigsten Inzest, aber auch andere sexuelle und physische Gewaltanwendungen genannt wurden. Coons und Milstein berichten (1986) bei über 85% der 20 Patienten von physischer Gewaltanwendung oder sexuellem Missbrauch. Ross u. a. fanden (1990) bei 95% der 97 Fälle physische Gewaltanwendung oder sexuellem Missbrauch.[15] Nur in wenigen Fällen spielten andere Misshandlungsformen in der Kindheit eine Rolle, z. B. Zeuge von Kriegshandlungen, medizinischen Eingriffe und Deprivation. Einige Patientinnen berichteten von Misshandlungen oder Folter in ritualisierter Form (rituelle Gewalt) und Misshandlungen in Zusammenhang mit satanistischen Ritualen. Michaela Huber nennt als Voraussetzungen für die Entstehung einer Multiplen Persönlichkeit vier Punkte: - Die Betroffenen sind in ihrer überwiegenden Mehrheit weiblichen Geschlechts. - Die Betroffenen haben die Fähigkeit, gut dissoziieren zu können. - Die Betroffenen haben schwerste Kindheitstraumata erlebt. - Niemand half dem Kind in den traumatischen Situationen. Weiter wird vermutet, die unterschiedlichen „Personen“ könnten dem Zweck dienen, sich an widersprüchliche Umwelt- und Überlebensbedingungen anzupassen. Häufig fänden sich Teilpersönlichkeiten mit bestimmten Aufgaben, etwa Schutzpersonen, Kontrollpersonen und Personen, welche die täglich anfallende Routine erledigen. Die dissoziierte Persönlichkeit könne Dinge ausleben, die eigentlich tabuisiert oder verdrängt seien. Sie könne in Bezug auf Herkunft, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung etc. das Gegenteil des ursprünglichen Persönlichkeitszustands darstellen. Tatsächlich konnten bei den Teilpersönlichkeiten von Multiplen sogar unterschiedliche Empfindlichkeiten gegenüber Anästhetika sowie unterschiedliche Sehstärken gemessen werden. Die dissoziative Identitätsstörung weist eine hohe Komorbidität mit anderen psychischen Störungen auf, wie etwa zu Depressionen, Angststörungen oder auch Persönlichkeitsstörungen wie der Borderline-Persönlichkeitsstörung oder der Schizotypischen Persönlichkeitsstörung. Dabei können die komorbiden Störungen wiederum auch eine Reaktion auf die belastenden und traumatischen Erlebnisse sein.